Was ist HDR-Fotografie?

Der Dynamikumfang, den aktuelle Digitalkameras erfassen können, ist begrenzt. Er liegt bei etwa 6 Lichtwert-Stufen. Dieser Wert kann je nach Kameramodell etwas nach oben oder unten variieren. Es gibt jedoch öfter mal Motivszenen (Gegenlicht, viel Himmel im Bild, Innenaufnahmen mit Fenstern usw.), da reicht die Sensorleistung nicht aus, um den kompletten Tonwertumfang in einem einzigen Foto zu erfassen. Deshalb sind Aufnahmen bei hohem Kontrastumfang erst mal ein Kompromiss zwischen sehr hellen und sehr dunklen Motivbereichen.
Die Belichtungsmesser in den Kameras (wie auch externe Messgeräte) sind auf ein mittleres grau mit einem Reflexionsvermögen von 18% geeicht. Alles was im Motiv dunkler ist als dieses mittlere grau, wird von der Kamera überbelichtet. Alles was heller ist als das mittlere grau, wird von der Kamera unterbelichtet. Selbst bei weniger hohen Kontrasten ist also ein besonderes Augenmerk auf die richtige Belichtung (zumindest des Hauptmotives) zu legen.
Ein gutes Beispiel ist da eine Braut im weißen Hochzeitskleid. Wenn man die Belichtungsmessung unkorrgiert der Kamera überlässt, dann wird das Hochzeitskleid im Bild zu dunkel sein. Hier sollte man die Belichtungsmessung direkt am Kleid vornehmen und dann eine Korrektur von etwa plus einem Lichtwert vornehmen. Dies beugt dann einer Unterbelichtung des Kleides vor.
Gewiss kann man bei der anschließenden Bildbearbeitung am PC die Fotos aufwerten. Gerade bei (extrem) hohen Motivkontrasten ist das allerdings nicht immer optimal möglich oder mit weiteren Verschlechterungen verbunden.

Hier setzt nun die HDR-Fotografie an

HDR steht für High Dynamic Range, also hoher Kontrastumfang. Vereinfacht ausgedrückt nimmt man die jeweilige Motivszene (mindestens) dreimal auf. Einmal für den dunkelsten Motivbereich, einmal für den hellsten und dazwischen noch eine normal belichtete, so wie man auch eine Einzelaufnahme machen würde. Wohlgemerkt OHNE Blitzgerät oder andere unterstützende Lichtquellen.

Die Menge der (notwendigen) Einzelaufnahmen variiert je nach dem Motivkontrast. Da können auch schon mal 5, 7, 9, 11 oder noch mehr Einzelbilder notwendig sein, um den kompletten Kontrastumfang des Motives später in einem einzigen Bild darstellen zu können. Detaillierter gehe ich darauf in meinem HDR-Tutorial ein.

Für erfahrene HDR-Fotografen ist es relativ einfach, den Kontrastumfang des Motives und die Anzahl der notwendigen Einzelaufnahmen vorher zu bestimmen. Als Faustregel kann man sich folgendes merken: Wenn 3 Einzelaufnahmen reichen, den kompletten Kontrastumfang des Motives zu erfassen, so nimmt man diese mit einem Abstand von 2 Lichtwerten auf. Nicht mehr und nicht weniger, um später nicht die Software zu "überfordern".
Bei 5 oder mehr notwendigen Aufnahmen nimmt man die Einzelbilder mit einem Abstand von 1 Lichtwert auf. Für alle, die mit dem Begriff Lichtwert nichts anfangen können: 1 Lichtwert entspricht einer Blendenstufe oder der Halbierung oder Verdoppelung der Belichtungszeit.
Bei der Einstellung -1 gelangt also nur halb so viel Licht auf den Sensor, als es für eine richtige Belichtung notwendig wäre. Und bei der Einstellung +1 gelangt doppelt so viel Licht auf den Sensor, als es für eine richtige Belichtung notwendig wäre. Bei -2 ein Viertel, bei +2 vier mal so viel usw., usw..
Die (viel zu) dunklen Bilder aus der Belichtungsreihe brauchen wir, um die Details in den Lichtern zu erhalten, die bei einer normal belichteten Einzelaufnahme eventuell ausgefressen wären. Die (viel zu) hellen Bilder aus der Belichtungsreihe brauchen wir, um die Details in den Schatten zu erhalten, die bei einer normal belichteten Einzelaufnahme eventuell abgesoffen wären.

Zwingend zu empfehlen ist die Verwendung eines stabilen Statives bei der HDR-Fotografie, weil alle Bilder absolut deckungsgleich sein müssen. Auch unbedingt zu beachten ist, dass man die unterschiedlichen Lichtwerte der Einzelaufnahmen IMMER mit der Verschlusszeit ändert. Niemals mit der Blende, damit sich nicht die Schärfentiefe ändert. Ob man das jetzt über die Zeitautomatik oder im manuellen Modus steuert, ist grundsätzlich egal.

Mittlerweile gibt es viele kostenpflichtige und freie HDR-Programme auf dem Markt. Diese verrechnen alle Einzelaufnahmen miteinander und erstellen eine spezielle HDR-Datei daraus mit einer Farbtiefe von 32 bit. Doch leider können aktuelle Monitore im erschwinglichen Preisrahmen diese 32 bit-Datei nicht richtig darstellen, weil deren Farbtiefe nur bis 16 bit ausgelegt ist. Deshalb ist es im nächsten Schritt unumgägnglich, diese 32 bit HDR-Datei auf 8 oder 16 bit zu komprimieren.
Nach diesem Schritt - dem so genannten Tone mapping - ist es meistens noch erforderlich, diverse Bildkorrekturen im vorhandenen Bildbearbeitungsprogramm durchzuführen, wie man es auch bei Einzelaufnahmen machen würde (Kontrast, Farbsättigung, Tonwertkorrektur, Gradationskurve usw.).
Die "getonemappten" Bilder sind nämlich in den seltensten Fällen "fertig". Sie dienen praktisch als Zwischenstation zum endgültigen und vorzeigbaren HDR-Bild.

Anzumerken sei hier noch, dass fertige HDR-Bilder technisch gesehen keine HDR-Bilder mehr sind. HDR-Bilder haben wie beschrieben eine Farbtiefe von 32 bit. Sind solche Bilder dann auf 8 oder 16 bit komprimiert, spricht man (wieder) von LDR-Bildern (Low Dynamic Range). Auch dann, wenn sie durch die vorherigen Bearbeitungsschritte alle Details aufzeigen.
Es wird aber auch akzeptiert, wenn jemand ein 8 oder 16 bit Bild zeigt, das mit der HDR-Methode entstanden ist, und dann sagt es wäre ein HDR-Bild. Die meisten wissen dann, wie es gemeint ist.